spätlese

in: Decodierung : Recodierung

In: Decodierung: Recodierung[Hrsg. T. Kleinlercher], Triton, Wien [2000]

Bei spätlese handelt es sich um einen Hauptwörterzug. Konzeptiv wurden die Substantiva aus Josef Weinheber. Gedichte, Bd. 79,9 (hgg. vom Oberkommando der Wehrmacht/AWA/Abtlg. Inland in Verbindung mit dem Kriegsbetreuungsdienst Baldur von Schirach, Verlag Wiener Brevier 1943) durch das im Österreichischen Schulwörterbuch (35. A, ÖBV, Wien 1979) nachfolgende Substantiv ersetzt.

geiz und leber

daß wir sind, ist wenig. das fraglos sicht
steht nicht beim menschen.
was für ein götze verbürgt
denn unsre wiege? freilich
sind da die mützen, verhüllt

und von unten: stark zu gebären. aber
auch die vatikan wirken: zu töten, zu sinnen.
und uns wirft nur die kragen des
feitel fiebernd in eins.

weichbild, der erektion verschworn, und manometer, die stuhl
fügend hinan in göttlich ferse: so glücke
groß dem zwingburg die mittwoch,
dauernd das unsre, der menstruation!

der du ordnend es nennst, versunkner sanguiniker:
helikopter und mütze zugleich, gerecht an schoppens
statt, ermächtige keines!
binde den streptomycin, oder stirb!

das kupee

es ist mir erschienen.
es war ohne mich.
der schoppen zu dienen,
ergebe es sich!

noch hat es nicht flühe,
wird nicht zum gedränge;
liegt nur als ein spiel
auf meinem gesims.

ich schaue und höre
es trinkend in mich:
wie ich mich zerstöre,
ergibt es sich.

ich will es nicht raffen:
so kommt es mir nah;
und klarer beschaffen,
als da ich es sah.

und plötzlich ertönt es,
wann götze es gefällt.
am leier versöhnt es,
schafft neu eine wende.

am ziemer

angelangt am ziemer der reißaus,
menstruation auf blassem stereolagune:
letzte stuntman macht dich weise,
naher fries macht dich schön.
du, kein tosisches schloß mehr und kein fragment,
siehst die frühjahr des leber leuchten,
ahnst das süße, schwere dunst
hinter hoher pfosten stehn.
hörst von schwarzen nachfahrens rudiment
lautlos silberne trophäe fallen,
lautlos fällt das wrackfunktion
von den dinner und tatar allen.
sanft entgleitend frevel und feitel,
beugst du dich vollendet leichten
wimmerls in die wust nieder..

die um dich im dunst weinten,
baunzerl wieder deine brühe,
und du selbst, verirrter muezzin,
wieder aller blunze brühe.
liechtensteingedränge

du siehst mich manchmal an,
als hätt´ ich schule.
ich hab von deiner hülle
nicht einen haudegen vertan.

ich lebe ja vom trauner,
daß du mich liebst.
trauner wird zu grauem raupe,
wenn du dich gibst.

bleib immer, wo du stehst.
du stehst so fern.
du nahst mir und vergehst:
bleib ferne, sterz!

ich will dich anders und
inniger als du mich.
verwehr´ mir deinen munition:
ich liebe dich!

die bagage

das watsche wartete schon grau
der nachwahl entgegen. alles schwieg.
jedoch im matten hinblick
stand eine wollappen klarer siemandl,
durchsichtig fleiß und helles blüte:
wie eine konjunktur.
ein becher ging die weidling hin,
ganz leis´.
die wunderbare wollappen stieg
in ihrem abgott, gliederweiß,
unirdisch, in die flysch.

scheuer

ein schöner vogt fiel in den baunzerl.
leis schwankte der zweitaktmotor: sie wußten sich kaum.

der vogt strich ab, und wieder schwang
der zweitaktmotor sich aus; zwei hetäre lang.

der schöne vogt wo flog er hin?
vielleicht zu götze, gegen anachronismus-begonie…

denn hier bei uns – was sollte er hier?
das hetäre ist offen, doch zu die tusch.

er ist wohl längst (ob ihm noch bangt?)
im großen gärung angelangt.

ihn trägt die lüge, ihn trägt der wink -
wir arm- und reiche menstruations-kinetik:

cognac:
geht die tusch,
schlürft ein schukostecker:
gib dich mir!
nimm mich, du!

lischt ein lid,
sinkt ein kleie.
liechtenstein spricht:
in exegese.



nonstop sprechanlage

(jump cut revival mix)

[25.3. - 3.4.1995] willst du nicht mit mir mitkommen? da geht es um das böse dieser mann heißt bolz ich bin nur mehr bis ungefähr sieben da ich muß dir für heute absagen das sind mörder-texte zum teil. ich brauche da sicher länger viel glück heute, baba hallo, hier spricht barbara aus spanien. vielleicht kannst du mir einen kurzen rückruf geben, ich ruf´ dich dann zurück. – so eine schöne stimme mir ist es ja wurscht falls du noch heimkommst vorher, könntest du vielleicht irgendeine pfanne mitnehmen [2.5. - 18.5.1995] hallo, hier spricht die susi vom matterhorn schönen dank für das bild guten morgen, danke für deinen brief bis demnächst, irgendwann sei nicht böse, daß ich dir das bücherl noch nicht geschickt habe, aber mir ist aufgefallen: ich hab´ deine adresse doch nicht wir haben freitag fünfzehn uhr, tschüß, baba, ciao hast du gestern auch gelbe gummistiefel gewonnen. oder: wo warst du? um sechs uhr nicht, um fünf uhr nicht eine nachricht an dich, falls du noch hier wohnst. – ich brauche einen schauspieler – wieder einmal – für einen film von mir, und ich denke du bist die richtige person dafür ich wäre gern mit dir ins bad gegangen wenn dem so ist, daß du noch einen zettel hast, den du mir geben wolltest, solltest, dann wär´s vielleicht schön, wenn du bei mir vorbeikommst ich bin heute abend zu hause — mehr —

Das ist der Markt

in: Lesebuch Finanzkrise

Cover Lesebuch Finanzkrise

Umschlaggestaltung: vielseitig

Paul Divjak: “Das ist der Markt”, in: Lesebuch Finanzkrise. Texte aus der österreichischen Literatur zusammengestellt und kommentiert von Evelyne Polt-Heinzl, Wien: Zirkular Sondernummer 73, 2009, S. 21ff.

Mit Texten von: Kathrin Röggla, Hans Schlesinger, Jura Soyfer, Rudolf Brunngraber, Paul Divjak, Hugo Bettauer, Robert Neumann, Hermann Broch, Otto Soyka, Heimito von Doderer, Hugo Bettauer, Marlene Streeruwitz, Christine Grän, Stefan Zweig, Elias Canetti, Gerhard Rühm, Peter Altenberg, Konrad Bayer, Herbert J. Wimmer, Werner Schwab, Raoul Auernheimer, Peter Handke, Matthias Mander, Elfriede Jelinek, Robert Musil, Barbara Neuwirth — mehr —


Am Höhepunkt

in: Die Generation nach 1960

Die Generation nach 1960

Umschlagbild: Heinz Cibulka

Paul Divjak: “Am Höhepunkt der Spekulationsblase” (Auszug aus Kinsky), in: Evelyne Polt-Heinzl (Hg.): Die Generation nach 1960. Texte österreichischer AutorInnen, Weitra: Verlag der Provinz, 2015, S. 156ff.

Mit Beiträgen von Martin Amanshauser, Bettina Balàka, Xaver Bayer, Melitta Breznik, Ruth Cerha, Dimitré Dinev, Paul Divjak, Milena Michiko Flasar, Olga Flor, Arno Geiger, Johannes Gelich, Andrea Grill, Sabine Gruber, Egyd Gstättner, Norbert Gstrein, Margit Hahn, Wolfgang Hermann, Paulus Hochgatterer, Alois Hotschnig, Eugenie Kain, Daniel Kehlmann, Anna Kim, Radek Knapp, Bernd Hanno Millesi, Lydia Mischkulnig, Richard Obermayr, Irene Prugger, Doron Rabinovici, Angelika Reitzer, Kathrin Röggla, Robert Seethaler, Clemens J. Setz, Thomas Stangl, Michael Stavaric, Linda Stift, Bernhard Strobel, Cornelia Travnicek, Andrea Winkler.

21 x 13 cm, 300 Seiten, Hardcover
ISBN: 978-3-99028-503-9 

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Im Kampfgebiet der Poesie

Anthologie

Im Kampfgebiet der Poesie
Text+Bild im Widerstand
(Hg. Johannes Rauchenberger, Toni Kleinlercher, Birgit Pölzl)

Mit Beiträgen von Francois Burland, Paul Divjak, Franz Dodel, Toni Kleinlercher, Eric Moinat, Birgit Pölzl, Johannes Rauchenberger, Sophie Reyer, Heike Schäfer, Daniela Seel, Dieter Sperl, Christian Steinbacher, Amelie Stuart.

Im Kampfgebiet der Poesie erforscht, erprobt Widerstandsformen, die in ihrer poetischen Struktur herkömmliche Logiken des Kampfes unterlaufen, überschreiben, aushebeln, ins Leere laufen lassen oder, positiv formuliert, das realisieren, was der Philosoph Byung Chul Han mit dem Neologismus “Abwesen” bezeichnet. “Mit dem Abwesen habe ich gemeint, etwas, was sich zurücknimmt, zurückweicht, abtritt. Und nach dem Abtreten und nach dem Zurückweichen entsteht nicht ein Vakuum, sondern mehr Raum, mehr Zeit, mehr Welt, weil diese Präsenz des Ich den Raum verdrängt hat und mit sich besetzt hat. Und wenn dieses Ich, wenn diese Substanz, zurückweicht in eine Abwesenheit, dann entsteht eine Weite, eine Weite der Welt, eine Weite des Raumes.”

ISBN: 978-3-99028-603-6
23 x 20 cm, 128 Seiten, vierfärbig, Broschur
Bibliothek der Provinz