DER STANDARD | EDLINGER & DIVJAK | GEMISCHTER SATZ
Edlinger: Herr Divjak, ich glaube, niemand lebt so gut von der Kunstmarktkritik wie die selbst am Kunstmarkt gut vertretenen Künstler, die Kunstmarktkritik betreiben. Diese Woche hat zum Beispiel Heimo Zobernig ein T-Shirt mit dem silbernen Aufdruck Sale veredelt und im neuen 21er-Haus als Serienprodukt herausgebracht. Die auf 100 Stück limitierten blauen Leiberln kosteten am Tag der Präsentation statt der für die Edition veranschlagten 100 Euro nur – bzw. immer noch – 50 Euro.
Die Verknappung kurbelt im Allgemeinen die Nachfrage an; weil hier aber nicht nur Mode mit Kunst-Appeal, sondern auch die Subversion der Idee des Verkaufs verkauft werden soll, wird ebendieser Mechanismus der Nachfrageankurbelung durch Exklusivitätserzeugung zugleich ironisch kommentiert.
Jetzt frage ich mich: Was ist eigentlich der Unterschied zur Pseudokritik an der Waren- und Werbewelt, in der Coolness-Hunter für Getränkehersteller Plakate entwerfen, die mit einem leeren Bild und dem Slogan “Image is nothing” beginnen? Wie verhält sich ein 100-Euro-Sale-T-Shirt zu Damien Hirsts obszönem, für 75 Millionen verramschtem Diamanten-Totenschädel? Hirst treibt die Preisbesessenheit der Sammler ja mit einem fetten Grinser im Gesicht ins Absurde – und positioniert sich damit gleichzeitig als Superstar der Auktionskunst. Macht ihn das zum Zyniker, während das Fair-Trade-geadelte T-Shirt, dessen Erlös obendrein zur Hälfte an das Museum fließt, unsere auf korrekten Kapitalismus geeichte Seele wärmt?
Divjak: Herr Edlinger, das Spannungsfeld zwischen kritisch-künstlerischer Haltung und affirmativem Produktdesign gibt tatsächlich Rätsel auf. Und wie überall kommt es auch hier auf den Point of View und die Lesart an: Wer weiß, vielleicht handelt es sich ja bei Hirsts raffinierter Auktionskunst im Grunde schon wieder um subversive Aktionskunst? Was das einzelne Werk womöglich nicht hinkriegt, schafft jedenfalls das Kunstsystem problemlos: Es ist gleichermaßen en passant zur Spielwiese wie zum Spiegel der aktuellen gesellschaftlichen Machtverhältnisse geworden.
Natürlich sei es jedem – ob Bestseller-Artist oder Top-Sammler – vergönnt, seine ganz persönliche Finanzwelle zu reiten: Der organisierte Markt bietet jedenfalls auch hier jede Menge spekulative Blasen. Krise hin, Krise her: “Wer als Investor bereits genügend Aktien, Immobilien und Autos hat, schaut sich bei der Kunst um” , weiß die deutsche Kunstkennerin Katja Blomberg. Wen wundert’s da, dass den glücklichen KunstproduzentInnen bei einem exklusiven Dinner im Hause des kapitalstarken Kollektors mitunter der Mund offen bleibt ob des Umfelds, in dem sich die Werke letztlich wiederfinden.
[DER STANDARD/ALBUM - Printausgabe, 10./11. Dezember 2011]